Die Presse, Wien

Biografie: Was über Kleiber zu erfahren war. Ein Buch-Projekt ohne Zutun von Kleibers Erben aus Interviews.

Ausgabe vom 22. Dezember 2007 

 

Anmerkungen zu Wilhelm Sinkovicz Beitrag für Die Presse, Wien:


Erstaunlich, wie schnell der Rezensent das umfangreiche Buch, das erst Mitte Dezember ausgeliefert wurde, gelesen haben muss. Jedenfalls scheinen ihm fast alle wesentlichen Informationen entgangen zu sein. Ich war entgegen der Ansicht des Rezensenten geradezu froh über die vielfältigen Quellen, auf die ich meine Biografie über Carlos Kleiber gründen konnte.
Gerade der Hinweis auf Erich Kleiber ist verblüffend, da ich sehr erleichtert war, dass es mir gelang, das so legendenumwobene Verhältnis von Vater und Sohn sowie Erich Kleibers Rolle in der musikalischen Entwicklung von Carlos erstmals fundiert darstellen zu können dies, wie auch die weitere Lebensgeschichte Carlos Kleibers eben nicht unwahrhaftig und sehr wohl durch Dokumente belegt.
Natürlich kommt eine Biografie dieser Dimension nie ohne Spekulationen und Vermutungen aus und kann nie komplett einen endgültigen Stand der Forschung präsentieren, wie das solchen Projekten eben gemeinhin eigen ist. Was etwa das Gerücht von der angeblichen Vaterschaft Alban Bergs betrifft, war es mir leider nicht möglich, eine Genanalyse zu tätigen, die alles, was bislang darüber geschrieben wurde, nämlich gänzlich unbelegbare Behauptungen, eindeutig hätte widerlegen können. Dennoch denke ich, dieses Gerücht soweit aus verschiedenen Blickwinkeln diskutiert zu haben, dass meine Schlussfolgerung, es handle sich offensichtlich um eine ziemlich haltlose Behauptung, begründet naheliegt.
Die zum anderen angeblich wenig ergiebigen Zeitzeugen, also diejenigen, die ich überhaupt zitiert habe, waren ganz im Gegenteil äußerst aufschlussreich, gleichermaßen informativ und erlaubten mir zudem und wie ich hoffe auch dem Leser, Zeitkolorit und Atmosphärisches nachzuempfinden. Gerade denjenigen, die Kleiber sehr nahestanden, bin ich für ihre Offenheit sehr dankbar. Alle Aussagen habe ich zudem kritisch durchleuchtet, mit anderen abgeglichen, wenn nötig auch relativiert, kommentiert oder anderen gegenübergestellt. Wie der Rezensent den Eindruck aufgeblasener Fan-Post und unkritischer Schwärmerei gewinnen konnte, bleibt wiederum mir rätselhaft ... 

 

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Biografie: Was über Kleiber zu erfahren war

21.12.2007 | 18:23 |   (Die Presse)

Ein Buch-Projekt ohne Zutun von Kleibers Erben – aus Interviews.



Ein einziges Interview hat er in seinem Leben gegeben, als junger Künstler für eine deutsche Radiostation, die das Band aber gelöscht hat. Ein Faktum, das man dem neuen Buch entnehmen kann, das Carlos Kleiber gewidmet ist. Oder besser: dem Faszinosum Kleiber, denn um eine Biografie zu schreiben, bedürfte es anderer Quellen als sie dem Autor Alexander Werner zur Verfügung standen. Dem Nachwort entnimmt der Leser, dass die Kinder des Dirigenten den Zugriff aufs Familienarchiv verwehrten. Carlos Kleiber wollte schließlich lebenslang nichts über sich preisgeben. Gern hätten seine Verehrer mehr über den charismatischen Mann gewusst, der als Sohn eines bedeutenden Dirigenten in dessen Fußstapfen trat – doch schon die Frage, wie sich Erich und Carlos Kleiber in Sachen Künstlertum verstanden – oder eben nicht –, bleibt für den Leser im Dunkeln. Des Autors Interview-Partner (aus dem engsten Familienkreis nur Kleibers Schwester) waren nicht sonderlich ergiebig.
Was ist aus Ihren Freunden von damals geworden?


Auch dort, wo mit Gerüchten aufgeräumt werden soll – etwa dem, dass Carlos Kleiber nicht Erichs, sondern Alban Bergs Sohn gewesen sein könnte – stehen problematischen Behauptungen und Vermutungen wieder nur Behauptungen und Vermutungen entgegen. Über viele Seiten liest sich das dickleibige Werk wie ins Gigantische aufgeblasene Fan-Post. Musikfreunde schwärmen über Kleiber, Sänger schwärmen über Kleiber – nur Orchestermusiker melden hie und da Skepsis an und wissen auch zu erzählen, wie beleidigend der Dirigent manchmal werden konnte.

Aller Tratsch auf einen Blick

Wer freilich alle Gerüchte und Hintergrundmeldungen über die vielen Skandale und Skandälchen, veröffentlichte und nicht veröffentlichte Aufnahmen, Absagen und sonstige Capricen eines Künstlers gesammelt lesen möchte, wird an dem Buch seine Freude haben. Nicht nur vor den Wiener Philharmonikern ist Kleiber schließlich das eine oder andere Mal davon gelaufen. Wenn er aber auftrat, dann – kein Wort strapaziert Werner öfter als „Triumph“ – waren sich alle einig: Er ist der Größte. Warum, bleibt auch nach der Lektüre rätselhaft. Eine grundlegende musikalisch-künstlerische Wertung steht ebenso aus wie die wahrhafte, durch Dokumente belegte Vita. sin

Alexander Werner: Carlos Kleiber. Eine Biografie. Schott,/Mainz, 2008 (!), 590 Seiten. Euro 32,95

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2007)