RADIOFEUILLETON vom 28. Dezember 2007

 

 

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>Dass sich der Autor als Subjekt über weite Strecken sehr stark hinter die von ihm referierte Meinungsvielfalt zurücknimmt, kann man als Tugend sehen, muss es aber nicht. Zwar kommt ein Bild der schillernden Persönlichkeit C.K. gerade auch dadurch zustande, dass sich bisweilen kontroverse Ansichten nahezu unkommentiert gegenüberstehen; doch hinsichtlich des allgemein- und kulturpolitischen Umfeldes, in dem Kleiber sich bewegte, wären personell wie sachlich - zugegeben nur um den Preis einer weiteren Ausdehnung des Umfangs - viel mehr Farben möglich gewesen.

So erscheint mancher mehr oder weniger prominente Zeitzeuge nur mehr als bloßer Stichwortgeber, selbst Personen des näheren Umfeldes wie zum Beispiel Kleibers Mutter Ruth bleiben seltsam vage, und ein - sicher auch für den bei München lebenden Dirigenten nicht völlig unbeträchtliches - Ereignis wie die Wiederherstellung der deutschen Einheit 1990 wird nicht einmal erwähnt.

Hinsichtlich der Solidität der Faktenaufbereitung wird man an Alexander Werners engagiertem Projekt zukünftig kaum mehr vorbeikommen oder besser gesagt: Man wäre töricht, wollte man diesen Reichtum an Quellenstudien, zudem sorgfältig, wenn auch nicht perfekt lektoriert, nicht nutzen. Aber letztlich geht es wohl bei einer solch exzessiven, exzentrischen und widersprüchlichen Persönlichkeit doch nicht ohne eine gewisse ergänzende Fantasie und den Mut zu Spekulation und Subjektivität, wenn ein Buch herauskommen soll, das seinem Gegenstand sozusagen auf Augenhöhe begegnet.

Die Grundlagen sind gelegt und vielleicht könnte es sogar der Autor selbst sein, der sie in einem weiteren Schritt ausbaut zu einer sensationellen Auseinandersetzung mit einem sensationellen Künstler.

Rezensiert von Gerald Felber