Einige teils gestrichene Passagen der Kleiber-Biografie

 

Ergänzung S. 400

Deutsche Grammophon, Hannover 1985

 

Eine Episode aus dem Jahr 1985, als Carlos Kleiber mit dem Tonmeister Klaus Hiemann und Aufnahmeleiter Werner Mayer am CD-Remastering seiner Aufnahmen für die Deutsche Grammophon in den Emil-Berliner-Studios in Langenhagen bei Hannover arbeitete

Kleiber schlief im Hotel Interconti in Hannover. Plötzlich sahen sich die Angestellten der Schallplattenfirma mit einem Problem in Kleibers Badezimmer konfrontiert. Die Badenwanne war neu und ließ sich nicht mehr so hoch wie die alten mit Wasser füllen. Das Wasser erreichte nur eine gewisse Höhe, dann lief es ab, so dass es unmöglich war, bis zum Hals im Wasser zu liegen.

 

Hiemann erlebte Kleibers Unmut darüber, was die Stimmung im Studio beeinträchtigte: Seine Lieblingsbeschäftigung war, den ganzen Vormittag in der Wanne zu liegen, bis die Finger schrumpelig wurden. Das ging aber nicht, weil die Wanne immer nur halb voll war. Da fing er an, ganz viel Kaugummi zu kauen und verstopfte damit den Ablauf. Nun klappte das zwar, er bekam aber ein ganz anderes Problem. Das Kaugummi wurde so hart, dass es sich nicht mehr entfernen ließ.

Unsere ganze Crew überlegte, was zu tun sei, um es wieder los zu werden. Ein Techniker hatte die rettende Idee: Kältespray. Kleiber war glücklich.

 

 

Ergänzung zu S. 224

Tristan und Isolde, Wien 1973

 

zu Hans Hopf als Tristan

Der Mitschnitt der Premiere bestätigt Hopfs Schwächen. Der sah aber auch zwei Jahre später als 60-Jähriger in einem Interview für Opernwelt keinen Grund zum Klagen: Ich komme mir gar nicht alt vor, stimmlich fühle ich mich sogar im Vollbesitz meiner Kräfte, ein Tristan gelingt mir heute besser als früher, schon weil ich jetzt genau weiß, wie ich ihn einzuteilen habe, im Oktober 1974 (sic !) habe ich ihn dreimal in einer Woche strichlos in Wien unter Kleiber junior gesungen ....

 

Hopf sprach dennoch offen über seine Probleme mit der Rolle: Tristan ist gar nicht gut komponiert, Wagner hätte dem Kurwenal wenigstens ein paar Sätze mehr geben sollen, damit der arme Kerl ein bisserl verschnaufen kann. Isolde hat es da weitaus besser wissen Sie, das schlimmste bei diesen überdimensionierten Rollen ist: Sie können einen guten ersten, zweiten Aufzug singen, sind blendend disponiert, dann merken Sie, es kriselt, die Stimme will nicht so recht und wenn der letzte Aufzug nicht gelingt, was ja kein Wunder ist, dann ist das Publikum enttäuscht, wenn man da keine exzellente Technik hat, sich festsingt, forciert, stemmt, was Sie wollen, dann hilft einem kein Gott, versungen und vertan ...
 
(Gespräch mit Hans Hopf, Opernwelt, 8/76)

 

Anekdoten um das Gastspiel

- Kurios war eine Episode um drei Fräcke, die in Carlos Kleibers Hotel für Aufregung sorgte: Für eine Vorstellung von Tristan und Isolde brauchte Kleiber drei Fräcke. Durchgeschwitzt gab er sie anschließend zum Reinigen. Als er die Fräcke vor den nächsten Vorstellung nicht in seinem Schrank vorfand, erklärte man ihm, man habe ihn nicht stören wollen.

Kleiber sagte, man solle sie vor seiner Zimmertür bereitstellen, er wolle sich vor der Aufführung ausruhen. Der Hoteljunge aber meinte es zu gut und klopfte an der Tür. Kleiber stand auf, nahm die frisch gereinigten Fräcke und warf sie aus dem Fenster. Es mussten andere besorgt werden.

 

- Kleiber ärgerte sich über die Wiener Premierenfeier so sehr, dass er die ganze Nacht über im Hotel in seinem Badezimmer das heiße Wasser laufen ließ. Am Morgen war der Speicher im Hotel leer. Niemand hatte mehr heißes Wasser. Kleiber freute sich wie ein Kind.

 

Einen ähnlichen Vorfall schildert Hanno Rinke in seinem Buch "Zerrissen" (eva/Europäische Verlagsanstalt)

Berlin, Dezember 1975

Am Mittag war ich notgedrungen mit Carlos Kleiber und Eva Wagner zusammen. Schweizerhof, gegenüber dem Interconti, ehemals Hilton. Gute Küche, schlechte Stimmung. Kleiber, exzentrisch wie immer, fürchtete sich vor Michelangeli, behauptete er. Stolz war er nur darauf, dass er in der vorigen Woche im Imperial die ganze Nacht durch das heiße Wasser hatte laufen lassen, damit sich am Morgen die Gäste beschwerten, dass sie kein warmes Waschwasser hatten.

Eva Wagner lächelte ehrgeizig-verzeihend, eventuell in Gedanken an ihren Urgroßvater. Nach dem Nachtisch flog ich ab. Später wollte Kleiber Michelangeli dafür verklagen, was er Beethoven angetan hat. Wer ihn daran gehindert hat, bis nach Karlsruhe zu gehen, weiß ich nicht. Ein Mensch hätte das nie geschafft."

Rosenkavalier, München


So ungehalten Kleiber zuweilen reagierte, wenn er gestört wurde, so umgänglich und entgegenkommend konnte er sein. Dies erlebte ein Fan nach einer Münchner Vorstellung des Rosenkavalier, der hoffte, nach dem Genuss der Musik noch ein Autogramm zu ergattern.

Er machte er sich auf den Weg zu Kleibers Zimmer und klopfte mutig an. Doch als dieser öffnete, verharrte der Mann erschrocken an der Tür. Denn der Maestro stand in der Unterhose vor ihm. Kleiber jedoch schickte den Autogrammjäger keineswegs ärgerlich weg, wie dieser spontan befürchtete, sondern hörte wohlwollend zu, als der Mann sein Anliegen vortrug und ihm für die großartige Aufführung dankte. Entspannt bat Kleiber ihn herein, setzte sich an den Tisch und erfüllte ihm seinen Wunsch.

Plötzlich kam eine Frau mit des Maestros Bier dazu, sah diesen spärlich bekleidet mit dem Fremden und rief überrascht: Um Gottes Willen, was machen Sie mit meinem Mann? Doch ihre Überraschung wich einem milden Lächeln, und als der Mann sich herzlich für sein Autogramm mit den Worten bedankte: Ich werde Sie nie vergessen, antwortete sie: Wir Sie auch nicht.

 

Fledermaus, München 1974


Kleiber liebte durchaus das Leben und den Champagner. Ob er zeitweise darin badete, wie böse Zungen unkten, mag man bezweifeln. Sekt konnte er sehr gut von Champagner unterscheiden. Als er dem Chor zu Silvester etwa Gutes tun wollte, bestellte er echten Champagner. Der Requisiteur dachte noch, ihm einen Gefallen zu tun, als er normalen Sekt brachte und Kleiber das Rausgeld in die Hand drücken wollte mit den Worten: Das merken die eh nicht. Kleiber hätte ihn daraufhin, so versichert eine Beobachterin: fast stranguliert.